Praktische Philosophie in Jg. 9 und 10 – Philosophie in der Oberstufe Sek. II

Philosophie ist eine Tätigkeit, der Aufbruch des Bewusstseins, durch vertieftes Nachdenken und Diskutieren. Über viele Fragen: Wer bin ich? Wer sind die anderen? Was ist Erkenntnis? Wozu dienen Moral und Ethik? Eine offene Auseinandersetzung mit der Welt – zwischen Innen und Außen, Schein und Schein, Wahrheit und Täuschung. Gemeinsam erörtern wir, Grundfragen der menschlichen Existenz und prüfen, wie weit das menschliche Denken zwischen Klugheit, Irrtum und Weisheit reichen kann. Frei oder an klassischen Texten und aktuellen Argumenten und Beispielen.

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„Praktische Philosophie trägt zum Bildungsauftrag der Schule bei, der die persönliche, soziale und politische Bildung der Schülerinnen und Schüler umfasst. Das Fach fördert die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit zu sozialer Verantwortung, zur Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft, zur Orientierung an Grundwerten, zur kulturellen Mitgestaltung sowie zu verantwortlicher Tätigkeit in der Berufs- und Arbeitswelt.“
(Quelle: Kernlehrplan Praktische Philosophie NRW)
Das Betrachten der Unterrichtsthemen aus verschiedenen Perspektiven ist im Philosophieunterricht von großer Bedeutung: Dazu gehören die eigenen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler, die gesellschaftliche Perspektive und die Ideen-Perspektive der Philosophie. Diese drei Perspektiven werden bezogen auf die Fragenkreise, die den inhaltlichen Unterrichtsstoff darlegen.
(Quelle: Kernlehrplan Praktische Philosophie NRW)
Das Fach Praktische Philosophie wird an der Integrierten Gesamtschule Paffrath in der Sekundarstufe I ab Klasse 9 als gleichwertige Alternative zum Fach Religion angeboten.

Um interkulturelle Begegnungen zu ermöglichen, wurden mit dem 9. und 10. Jahrgang Exkursionen in die Kölner Synagoge und die Bergisch Gladbacher Moschee unternommen.

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Schülerinnen und Schüler über das Fach (Praktische) Philosophie:

  • „Also ich finde gut, dass man die eigene Meinung vertreten kann, und auch, dass man die Meinung anderer hören kann und sich somit ein anderes Bild über Themen macht, worüber man vorher anders gedacht hat.“ (Zitat einer Schülerin des neunten Jahrgangs)
  • „Im Philosophieunterricht gefällt es mir sehr gut, dass man alles hinterfragen und diskutieren kann.“ (Zitat einer Schülerin der Stufe 10)
  • „Das Nachdenken und Diskutieren über ein Thema aus verschiedenen Perspektiven hilft einem dabei, kritisch zu bleiben.“ (Zitat eines Schülers aus der Stufe 11)
  • „Ich finde es gut, dass man im Fach Philosophie über Meinungen diskutieren,  Argumente weiterentwickeln und miteinander verbinden kann.“(Zitat eines Schülers aus der Stufe 11)

Philosophie in der Oberstufe – Sek. II –  Stand Dez. 2015

Jg. 11/I  Einführung in die Philosophie: Die Fähigkeit zur philosophischen Reflexion

Thematik
Kernerfahrung der Philosophie: Die Spannung zwischen Theorie und Praxis, Denken und Handeln. Entschleunigung, Besonnenheit, Geduld und Gelassenheit. Die Suche nach Erkenntnis, Selbstverständnis, Sinn, Regeln, Verbindlichkeit, Prinzipien. Über sich selbst, die Gesellschaft und die Welt umfassend nachdenken. Vernunft als intersubjektive Verbindung von Möglichkeit und Wirklichkeit, Phantasie und Logik, Individualität und Miteinander.

Kompetenzerwerb und -entwicklung im Themenfeld „Einführung ins philosophische Denken“

  • Die Einführung in die Philosophie macht die Schüler und Schülerinnen vertraut mit dem Philosophieren auf Oberstufen-Niveau.
  • Philosophie erscheint in zweierlei Gestalt: bisher als „natürliche“ Aktivität intellektuell und sprachlich differenzierender Kommunikation und Diskussion (siehe Jg. 9 und 10), in der die Teilnehmer ihre eigene Situation beleuchten und vermitteln. In der Sekundarstufe II als sachlich und fachlich angemessene Argumentation, als Diskurs auf dem Niveau philosophischer Texte, in denen allgemeine Prinzipien mit dem Anspruch auf Vernünftigkeit verhandelt werden (Platon: die Rolle der Ideen; Kant: Philosophie als Bedürfnis und als methodische Wissenschaft der Prinzipien).
  • Gefördert werden eine Vielzahl von Kompetenzen: Wahrnehmungs- und Deutungskompetenz (inklusive Vorstellungskraft und Phantasie), Sprach-, Argumentations-, Urteils- und Prinzipien-Kompetenz.
  • In der Terminologie der landesweiten Standardlehrpläne heißen die Kompetenzen: Sach-, Methoden-, Urteils- und Handlungs-Kompetenz.
  • Dahinter steht die Kernkompetenz: Die Fähigkeit zur vernünftig urteilenden, um Ausgleich und Sachlichkeit bemühten, philosophischen Reflexion im Hinblick auf alle nur denkbaren Fragestellungen und Probleme, in methodischem Denken und verantwortlichen Handeln zwischen Tradition, Gegenwart und Zukunft.

Jg. 11/II  Probleme der Bestimmung des Menschen (Philosophische Anthropologie)

Thematik
Kernerfahrung: Der Mensch in seiner Doppelnatur als Natur- und Kulturwesen; Sinnen- und Vernunftwesen, zwischen Determination und Freiheitsbewusstsein, als Partner und Rivale der Natur.

Im Unterricht erfolgt die Auseinandersetzung mit Antworten auf die Frage: „Was ist der Mensch?“ Sie stammen aus der klassischen Philosophie (Hobbes versus Rousseau, Descartes versus Sartre) und den Wissenschaften vom Menschen (philosophisch-biologische Anthropologie; Neurowissenschaften, Künstliche Intelligenz). Erörtert werden gegensätzliche Standpunkte und interdisziplinäre Perspektiven: Sind der Mensch, seine Selbstwahrnehmung, Lebendigkeit und seine Freiheit definierbar und in Daten auflösbar oder gerade nicht fassbar? Wird der Mensch durch die aktuellen Wissenschaften und digitalen Medien auf ein manipulierbares Objekt reduziert? Wie ist darauf zu reagieren? (siehe auch Ethik und Politik).

Kompetenzerwerb und -entwicklung im Themenfeld „Anthropologie“

Das Themenfeld beinhaltet Vorschläge bzw. Hypothesen zur Wesens-Bestimmung des Menschen und seines typischen Verhaltens als Lebewesen zwischen Natur und Kultur. Die kritische Erörterung der Annahmen, Voraussetzungen und Konsequenzen („Was für Folgen ergeben sich aus dieser oder jener Definition des Menschen?“, „Ist der Mensch überhaupt definierbar?“) fördert den Ausbau der philosophischen Kompetenzen in kontroverser Argumentation.

Jg. 12/I  Probleme des menschlichen Handelns (Ethik)

Thematik
Kernerfahrung: Der Mensch als vernünftig reflektierender Gesetzgeber und aktiver lebenspraktischer Gestalter des eigenen (individuellen und gemeinsamen) Handelns. Von „subjektiven Maximen“, menschlichen „Tugenden und Lastern“, „Glücksvorstellungen“ sowie „Nützlichkeitserwägungen“ zu „allgemeingültigen Grundsätzen“ und „Prinzipien“ der „Gerechtigkeit“, „Fairness“, „Vernunft“ und „Autonomie“. Schrittweise Entfaltung dieser und anderer Begriffe aus konkurrierenden ethischen Modellen an konkreten moralischen Fallbeispielen.

Im Unterricht erfolgt die Analyse von moralischen Alltagsbeispielen und extremen Grenzsituationen vor dem Hintergrund von ausgewählten ethischen Positionen. Im Zentrum steht die Auseinandersetzung mit den Fragen: „Was kann ich tun?“, „Was würde ich gerne tun?“, „Worin besteht mein/unser Glück?“, „Was wäre nützlich zu tun?“, „Was soll ich tun?“.  Wie werden Können, Glück, Nutzen und Sollen begründet? Wie verhalten sich diese Begriffe zueinander? In Reflexion auf Beispiele und Positionen der Glücksethik, der utilitaristischen Ethik und der Sollens-Ethik mit ihren formalen Lebensmodellen und Gerechtigkeits-Prinzipien sollen die Schüler Lebensklugheit und ethische Forderungen, ihre grundsätzliche Begründung und die situative Anwendung beurteilen lernen.

Kompetenzentwicklung im Themenfeld „Ethik“

Das Themenfeld „Probleme des Handelns“ soll den SchülerInnen den pragmatischen Ausbau ihrer Kompetenzen ermöglichen. In exemplarischen Unterrichtsvorhaben werden Positionen der Ethik vorgestellt, aber auch die handlungsorientierte Dimension der Philosophie durch konkrete Situationsbezüge und Beispiele hervorgehoben. Die ethische Argumentation enthält zwei Komponenten: die Situations-Anwendung (durch Entscheidungsalternativen und Präferenzen „Es wäre besser“ oder kategorische Appelle wie „Du sollst“) und die weiterführende Begründung durch allgemeine Gesichtspunkte wie: Nützlichkeit (aber für wen?) oder im Rückgriff auf Normen, Werte und Gerechtigkeitsprinzipien. – Daraus ergeben sich Möglichkeiten vergleichender Beurteilung, Kritik und Modifikation ethischer Positionen.

Jg. 12/II  Probleme von Politik, Recht, Staat, Gesellschaft und Gerechtigkeit

Thematik
Kernerfahrung: Der Mensch als Bürger einer Polis (Stadt, Staat) zwischen Eigen- und Allgemeininteresse. Die Philosophie als „Hebamme“ (Sokrates), als ernsthafter Diskussionspartner des öffentlichen politischen Diskurses zwischen Bürger, Gesellschaft und Staat.

Auseinandersetzung mit Begriffen und Positionen zum Thema: Bürger, Politik, Gesellschafts- und Staatsvertrag, Nation, vorstaatliche, überstaatliche und transnationale Strukturen (Europa heute und morgen); zwischen idealistischem Engagement und Gleichgültigkeit, Zustimmung, Whistleblowing und Protest, Selbstbestimmung und Unterwerfung, Macht und Machtverlust, sozialer und politischer Meinungs- und Willensbildung, Frieden, Gewalt und Krieg.

Kompetenzentwicklung im Themenfeld „Politik“

Das Themenfeld „ Politik, Recht, Staat, Gesellschaft und Gerechtigkeit“ ermöglicht den SchülerInnen im Unterricht, das Feld des öffentlichen Handelns, des Engagements und der Partizipation im Hinblick auf wahrzunehmende Entscheidungen, Chancen und Risiken zu entdecken.
Der Ausbau der philosophischen Kompetenzen in sozialer Hinsicht sollte die Idee und die Prinzipien einer aktiven Zivilgesellschaft, der wachsam-kritischen Aufklärung und parlamentarisch kontrollierten Politik im regionalen und globalen Maßstab fördern.


Jg. 13 I/II  Probleme des Denkens, Erkennens und der Wissenschaft 
(Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie)

Thematik
Kernerfahrung: Der Mensch als denkendes und forschendes Wesen (Denker und Technologe) und seine Fähigkeit, über Wahrheit und Irrtum, Fortschritt und Rückschritt des Wissens und der Kultur zu reflektieren.

Inwiefern kann der Philosoph über Erkennen und Wissen(schaften) nachdenken? Wie weit reicht die Erkennbarkeit und Manipulation von Mensch und Welt, innerer und äußerer Wirklichkeit? Gibt es Kriterien für die Gültigkeit von Denken, Erkenntnis, Erfahrung und Wahrnehmung, in Wissenschaft und Alltag?  Gibt es erkenntnismäßige, technologische, ethische, religiöse, rechtliche, politische Grenzen? Wie weit reichen Zweifel und Relativismus?

Kompetenzentwicklung im Themenfeld „Erkenntnis und Wissenschaft“

Die Beschäftigung mit Aspekten der erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Philosophie fördert die Fähigkeit zur weiteren Abstraktion und Differenzierung: im Hinblick auf Wahrnehmung, Anschauung und Konstruktion von kognitiven Modellen, Begriffen und Urteilen. Ziel ist die nüchterne Einschätzung von Erkenntnismöglichkeiten und Forschungsprozessen (im Kontext bestimmter Situationen, Epochen und stets kritisierbarer „Weltbilder“, „Dogmen“ und „Ideologien“), die distanzierte Beurteilung von Annahmen und Theorien auf ihre historische und heutige Stichhaltigkeit. Den SchülerInnen sollen den begründeten Zweifel (Rationalismus bei Descartes, Empirismus bei Locke und Hume), die kategoriale Strukturierung von Erkenntnis und Erfahrung (Kant) und die Methode der Hypothesen-Aufstellung einschließlich ihrer möglichen Falsifikation (Popper, Hempel, Kuhn), insgesamt die Methode der rationalen Kritik als Antrieb des erkenntnisfördernden Denkens, das sich nicht einschüchtern lässt und immer wieder nachfragt, verstehen. Der Dialog zwischen Natur- und Geisteswissenschaften liefert zwei Aspekte menschlicher Geschichtlichkeit zwischen Technologien des Produzierens/Konsumierens und der Kommunikation des selbstbewussten Lebens.

Hinzu kommen in Jg. 13 Wiederholung und Vertiefung von abiturrelevanten Texten, Themen und Bezügen aus allen Halbjahren.

Dr. Peter Brinkemper, Thomas Brinkhoff, Andreas Stöhr